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Verdachtslose Chatkontrolle – EU-Juristen zweifeln an Erfolg

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10.05.2023

Die von der EU geplante verdachtslose Chat-Kontrolle zur Aufdeckung von Kindsmissbrauch wird nicht haltbar sein. Zu diesem Urteil kommen EU-Rechtsgutachter in einem geleakten Dokument. Demnach würde die Überwachung privater Kommunikation ausufern und die Grundrechte untergraben.

Laut dem Entwurf sollen sämtliche Ende-zu-Ende-verschlüsselte Chats auf den gängigen Anbietern durchkämmt werden können.

Gesetz nicht verhältnismäßig

Das Gesetz würde vor allem auch die Bürger betreffen, die überhaupt nichts mit Kindesmissbrauch zu tun haben, und somit deren Vertrauen in die Grundrechte beeinträchtigen. Zu dem Schluss kommen die EU-Rechtsberater und gehen daher davon aus, dass das Gesetz spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) scheitern wird.

Indem die gängigen Anbieter wie Whatsapp und Threema überwacht würden, stiege die Wahrscheinlichkeit, dass Pädokriminelle auf andere Plattformen ausweichen, was eine uneingeschränkte Überwachung auf allen Plattformen nach sich ziehen würde. Dass dies nicht haltbar ist, zeigt schon das EuGH-Urteil zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung.

Kontrolle auf Verdachtsfälle beschränken

Selbst die Vorratsdatenspeicherung wird nach EuGH-Urteil vor allem in Fällen des Terrorismusverdachts angewendet und ist zeitlich beschränkt. Dass der EuGH die Chatkontrolle zur Aufdeckung von Kindesmissbrauch befürwortet, halten die Gutachter demnach für unwahrscheinlich.

Die Gutachter sprechen sich dafür aus, dass die Kontrolle nur in Fällen angewendet wird, bei denen ein begründeter Verdacht besteht beziehungsweise bei Personen, die bereits in dieser Hinsicht auffällig geworden sind.

Mehrheit lehnt umfassende Kontrolle ab

Dennoch sind zehn EU-Mitgliedsstaaten zusammen mit der schwedischen Ratspräsidentschaft für die Chatkontrolle. Deutschland lehnt ein Client-Side-Scanning (CSS) ab, bei dem Inhalte auch auf dem Endgerät der Nutzer durchsucht werden. Allerdings spricht sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für das serverseitige Scannen von Kommunikation aus und ist damit mehr und mehr auf verlorenem Posten.

Dem stehen Politiker wie Digitalminister Volker Wissing (FDP) und der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) gegenüber. Breyrer befürchtet zudem, dass die uneingeschränkte Überwachung zu einer Häufung von Falschmeldungen führen würde, die die Ermittlungen erschweren anstatt erleichtern dürften. (tl)